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ERICH SEEBERG
Meister Eckhart
I. Leteinische und deutsche Schriften
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2. Wir müssen in bezug auf unsere Frage sehr ernsthaft prüfen, inwieweit Meister Eckhart wirklich Scholastiker ist. Sein Denken setzt dort ein, wo sich das Denken der großen Scholastiker bewegt; aber das ist für Meister Eckhart charakteristisch, daß er sich dort müht und arbeitet, wo die Begriffe der großen systematischen Theologen im Mittelalter aufhören. Gerade das Ringen um die Grenze, um das Unfaß bare und Unaussagbare scheint mir für den Meister charakteristisch zu sein.
Dazu kommt noch ein anderes. Auch die großen Scholastiker schreiben Kommentare zu biblischen Büchern - gedrängt, gelehrt, trocken und auf Stelzen gestellt -, aber ihre eigentliche Lebensleistung besteht fast immer in einer großen systematischen Leistung, sei es in Form der Summa, sei es in Form eines Sentenzenkommentars. Von Meister Eckhart haben wir, abgesehen von einigen sehr bedeutsamen rein philosophischen Disputationen, nur Kommentare zu biblischen Büchern. Was er zu sagen hat, entwickelt er also in der produktiven allegorischen oder tropologischen Exegese an der Bibel.
In diesen seinen lateinischen Kommentaren steckt unfraglich viel Traditionelles, Gelehrtes, Schulmaß iges, ja Abgeschriebenes. Ich glaube nicht, daß Eckhart ein guter Professor war. Er hat in seinen Vorlesungen zuviel aus andern geschöpft, auch wenn er das - im Unterschied zu neueren Gebräuchen - ausdrucklich gesagt und nicht etwa vergessen hat. Seine lateinischen Schriften sind verkürzte und zugleich durch Bemerkungen vermehrte Kollegs, wobei die Erklärungen der verehrungs-würdigen Doktoren, besonders des "Bruder Thomas", teils ausdrücklich gebracht, teils bloß "gestreift" werden [8]. Und das, was Eckhart selbst vorschwebte, und was in den deutschen Predigten stammelnd herausbrieht, hat er oft mit den Worten anderer und in der traditionellen scholastischen Begriffssprache auf dem Umweg über die "moralische" Exegese nur unvollkommen auszudrücken vermocht. Das ist, wie mir scheint, die eigentliche Schwierigkeit der Eckhart-Interpretation. Sie wird einen guten Schritt vorwärts tun, wenn wir einmal wissen, welche lateinischen Begriffe welchen deutschen Worten bei Eckhart entsprechen. Dann wird nicht bloß das Sprachschöpferische, sondern auch die originale Kraft des Meisters zu denken plastischer vor unsern Augen stehen.
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