Meister Eckhart Home / Works by Meister Eckhart - Quotes / Inspired by Eckhart / Studies / The Papal Condemnation / Mail & Announcements / Links / Books |
ERICH SEEBERG Meister Eckhart
II. Philosophische Grundbegriffe
1. DIE ERSTE und letzte Frage im Denken Meister Eckharts ist die Frage nach dem Sein. Meister Eckhart ist Ontolog; aber ich habe den Eindruck, daß seine Terminologie zu schwach ist, um alles auszudrücken, was er denkt und schaut.
Er scheidet zwischen Sein und Sosein, zwischen ens und ens hoc et hoc [1]; er scheidet zwischen esse absolute und esse formaliter, zwischen Sein und dem höheren Sein. Die forma substantialis gibt den Dingen das Sosein, das esse absolute gibt ihnen das wahre Sein, das wahr und gut, zeitlos und ohne fieri ist [2]. Alles Leben "ist" durch Gott, der das Sein ist; und doch "ist" der Fromme in einem höheren Sinn in Gott, als alles Lebendige "Sein" ist [3].
Was dem Meister im Großen vorschwebt, ist deutlich. Alles "ist" Gott, und doch ist nichts, was existiert, Gott. Aliter loquendum de ente, aliter de ente hoc et hoc. Propter quod ens tantum unum est et deus est. Ens autem hoc et hoc plura sunt [4]. Alles Lebendige lebt durch Gott, aber es "existiert" konkret ohne Gott. Der Stein ist Stein, weil er die Form des Steines hat; aber das Leben in ihm, das esse absolute, hat er allein von Gott, der ersten Ursache, unmittelbar. Oder wie es Meister Eckhart ein andermal ausdrückt, das Feuer hat durch die Form lediglich die Eigenschaft, Feuer zu sein, nicht aber das eigentlich lebendige Sein, das überall eins ist, wahr ist und absolut ist. Das stammt von Gott, der das absolute Sein ist [5].
Dies absolute Sein, das sich scharf von dem konkreten Sein, aber auch vom Sein als solchem abhebt, liegt allem Lebendigen zugrund, "ist" alles Leben und kann selbst nur als Leben, Wollen oder Bewegung gefaß t werden. Es ist ein fast mystischer Seinsbegriff, der hier vorliegt; man fühlt sich manchmal an Luthers großes Wort [6] von dem Gott erinnert, der im kleinsten Baumblatt ist, das der Wind bewegt, und der doch - und hier beginnt der Unterschied zwischen Luther und Eckhart - nicht dort, sondern in der von ihm gewollten Heilsordnung gefunden werden will.
Anmerkungen / Seeberg Contents Page / Next Chapter