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ERICH SEEBERG
Meister Eckhart
I. Leteinische und deutsche Schriften
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3. Meister Eckhart ist den deutschen Theologen fremd geworden. Die Katholiken haben ihn in Einzelheiten oft besser als wir Protestanten verstanden. Aber über dem Meister lag auch für sie immer hemmend der Spruch eines Papstes. Und für die Protestanten kam er als Mystiker in der letzten Zeit eigentlich nur als besonders abschreckendes Beispiel in Betracht. Das liegt nicht bloß an der wahrhaft abergläubischen Angst vor Mystik und Metaphysik, die den protestantischen Theologen Deutschlands seit A. Ritschl und bis K. Barth eingebläut worden ist, und die schließlich zu der dem einfachen Verstand absurd erscheinenden These geführt hat, Mystik sei überhaupt nicht Religion, oder sie sei das Gegenteil von Religion, oder wie die tiefsinnigen Varianten immer lauten mögen.
Die Fremdheit des Meister Eckhart liegt nun aber doch auch an etwas Ernsthaftem, das uns wieder einen Wesenszug im Denken des Meisters zu erschließen vermag. Es gibt im Großen zwei Arten, Theologie zu treiben. Die eine Art will die Gedanken der Bibel in der eigenen Sprache wiedergeben; die andere Art will die biblisch-christlichen Vorstellungen auf jeweils bestimmte philosophische Urbegriffe reduzieren. Die erste Art ist die der heute noch herrschenden biblizistischen und dialektischen Theologie; die zweite Art ist die des Meister Eckhart, dessen Methode man sich etwa auch am Vergleich mit Schleiermacher klarmachen könnte. Trotzdem ist Eckhart, wie wir sahen, Biblizist, weil er seine Gedanken in Anlehnung an die große Gegebenheit der Schrift aus dieser selbst mit Hilfe der "moralischen", d. h. den Text auf den betreffenden Menschen beziehenden Exegese herauszudeuten versucht. Man kann also sagen, daß bei ihm der Zusammenhang zwischen der theologischen und philosophischen Gedankenwelt durch die allegorische oder moralische Exegese hergestellt wird, die sozusagen das biblische Gedankengut beweglich macht und aktualisiert. Auch das liegt in der Linie der neuplatonisch bestimmten Theologie aller Zeiten.
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