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ERICH SEEBERG
Meister Eckhart
I. Leteinische und deutsche Schriften
Page 12
Ich übersehe das ganze uns zugängliche Material noch nicht, glaube aber doch schon heute diese Frage bejahen zu können. Im ersten und zweiten Kommentar zur Genesis nämlich, die gegen den Brauch aller guten Exegeten wesentlich mehr als Gen. 1 auslegen, ist es deutlich zu sehen, wie die neuplatonische Metaphysik in der arabischen und jüdischen Fassung auf Eckhart hereinbricht, und wie nun Avicenna, Avencebrol und Maimonides benutzt und zitiert werden. Der Grundsatz: "Magister Eckardus sui ipsius interpres" scheint mir also für die künftige Forschung zweifelhaft zu werden. Statt dessen erscheint die neue Aufgabe, die Entwicklung des Meisters zu verfolgen; mit diesem Entwicklungsprinzip können vielleicht auch in Zukunft noch Unklarheiten und Selbstwidersprüche in seinen Anschauungen geklärt oder beseitigt werden.
Gewiß nicht alle. Denn auch die späteren lateinischen Schriften dürften mehr ausgeschriebene "Autoritäten" als Eckhart selbst bringen. Was wir vom "Vaterunser" sagten, gilt vielleicht, obwohl in verringertem Maß und in einem andern Sinn, auch für die andern Kommentare [12]. Jedenfalls wird die Frage nach der Bedeutung der lateinischen Schriften aufs neue und besonders eindrücklich gestellt. Die Frage ist kompliziert, weil auch Kompilieren originell sein kann, und weil man mit den Worten anderer das Eigene ausdrücken kann. Aber hier erhebt sich bei Eckhart die besondere Schwierigkeit, daß bei ihm Begriff und Sache nicht übereinstimmen. Das gilt nicht bloß für die lateinischen Schriften im Verhültnis zu den deutschen, sondern auch für die lateinischen Schriften in ihrer Abhängigkeit von ihren Autoritäten.
Aber es ist genug mit diesen methodischen und allgemeinen Beobachtungen und Betrachtungen! Fassen wir nun die Gedanken Meister Eckharts selbst ins Auge!
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