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ERICH SEEBERG Meister Eckhart IV. Wiedergeburt, Christus und Ethik 4. Ja, Meister Eckhart weiß auch etwas von dem magnificare peccatum, mit dem Luther seine Vorlesung über den Römerbrief beginnt. Er gibt dem freilich die in der Mystik aller Schattierung weitverbreitete Wendung: Je größer die Sünde, desto größer die Reue. Ja, Gott vergibt im Überfluß
seiner Vollkommenheit gern große Sünden [29]. Und den Menschen, der bereit ist und von seiner Sünde aufsteht, den fragt der "Gott der Gegenwärtigkeit" nicht nach seiner Vergangenheit und läßt ihn die Sünde nicht entgelten [30]. Aber die Rechtfertigung des Sünders findet man bei Meister Eckhart nicht im Zusammenhang mit diesen, bei ihm zurücktretenden Gedankengängen. Wohl weiß er, daß nicht Werke gut machen, sondern daß der Gute gut handelt; denn Heiligkeit steht auf dem Sein, nicht auf dem Werk [31]. Aber alle diese Gedanken stehen im Zusammenhang mit seinem praktischen und aktiven Platonismus und sind von dort her zu verstehen: Wie der Weiße weiß ist durch das Weiß
sein, so ist der Gute gut durch die Güte, der Gerechte gerecht durch die Gerechtigkeit, der Fromme fromm durch die Frömmigkeit oder durch Christus [32]. Das besagt Gewiß nicht die Identität zwischen Schöpfer und Ge- schöpf; aber vor dem Konkreten steht die schaffende Idee, und die Wirklichkeit verhält sich zum Jenseits analogice [33]. Deshalb zeugt die Gerechtigkeit oder der Vater den Gerechten, und in der Rechtfertigung des Unfrommen drückt sich das Bild der Trinität aus [34]. Der Gerechte ist nicht der, der Gott fürchtet, sondern der ihn liebt, der sich vor allem andern an der Gerechtigkeit freut und dessen Handeln Gottes Ehre ist [35]. Und das ist der Lohn des Gerechten, daß er, in Gott transformiert, Gottes Erbe geworden ist. Dabei ist bei Eckhart stark im Lebensgefühl des Frommen die Freude und die Liebe betont [36]; und es ist selbstverständlich, daß bei diesem platonischen Ansatz - die Abhängigkeit des"Gerechten" von der "Gerechtigkeit" - die Initiative im Heilsprozeß ganz Gott zugeschoben wird, der uns zuerst liebt, und dessen Liebe uns ihn selbst und die Brüder wiederlieben heißt [37].
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