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ERICH SEEBERG
Meister Eckhart
III. Gotteserkenntnis und Gnadenlehre
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ad 1) Der Grundsatz der Erkenntnislehre heißt: Gleiches erkennt Gleiches. Die wirkliche Gotteserkenntnis setzt also die Verwandlung des Menschen in Gott voraus, wie sie durch die Gottesgeburt sich in der Seele vollzieht. Dann geht in der Seele der "Sohn" [13] auf, den Gott allein liebt, und alles andere nur, je nachdem es Anteil am Sohn hat [14]. In ihm präexistieren die Dinge als Ideen, und zwar in gleicher Weise der Engel wie die Mücke; das ist die Gotteserkenntnis per spe- culum et in aenigmate. Auch sie geschieht nach dem zweiten Grundsatz der Erkenntnislehre, daß Gott in seinen Wirkungen erkannt wird [15]. Daher ist auch die Erkenntnis der gereinigten und erleuchteten Seele eine Erkenntnis lediglich der Wirkungen Gottes [16]. Diese Gotteserkenntnis durch Spekulation, aber im Rätsel verharrend, wird auf den Wegen der Eminenz, der Ne- gation und der Kausalität gewonnen [17]. Erst in Gott erkennt man die Kreaturen ohne Gleichnis [18].
Von dieser Erkenntnis Gottes ist die Gotteserkenntnis per speculum et in lumine zu unterscheiden, die prophetisch, begnadet und ekstatisch sein kann, und die eine spezielle Einwirkung des göttlichen Lichts voraussetzt. So kennt Eckhart sehr wohl die verschiedenen Arten der Erkenntnis und zwar auch die Erkenntnis des Ganzen durch die Intuition.
Geht der Meister hier im allgemeinen in gebahnten Bahnen, so zeigt sich das Eigene in ihm darin, daß er die Seligkeit nicht im Erkennen, in der Liebe oder in der Schau findet, sondern "von got, an got und in got alleine" [19]. Sein Ziel heißt - modern ausgedrückt - nicht Religion, sondern Gotteswirklichkeit.
Und es ist zu beachten, daß Meister Eckhart als das Letzte und Eigentliche nicht Glauben und Erleben oder Denken und Schauen preist, sondern die Existenz des reinen Gottes in der bloßen Seele, ohne alle Mittel. Und es scheint mir auch nicht fraglich zu sein, daß diese Vorstellung des Meisters für die Deutung seines Verständnisses des Seelengrundes von Bedeutung ist.
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