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FRIEDRICH HEER
From Eckhart, Predigten und Schriften, ausgewaehlt und eingeleitet von Fr. Heer, Frankfurt/M-Hamburg 1956
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In der Collatie, der vom Orden vorgeschriebenen kurzen geistlichen Unterweisung am Abend, bricht Eckhart das Brot mit seinen Brüdern und Schwestern: hier mahlt er in seiner Auslegung einzelner Worte der Schrift ein Brot, das jeder annehmen kann: Nahrung für den inneren Menschen, leicht verstandlich, leicht verdaulich für alle, die offenen Sinnes sind. Hier spricht er also vom wahren Gehorsam, vom allerkräftigsten Gebet und allerhöchsten Werk vom "ledigen Gemüt", das die ungelassenen Leute, die voll Eigenwillens sind, nicht aufbereiten wollen; hier zeigt er den Nutzen der Gelassenheit auf, die man innerlich und außerlich üben soll: "Bedenke, was das Wesen und den Grund (der Seele) gut mache." Hier spricht er, prächtig, von der Abgeschiedenheit und von "Gott haben": Du kannst Gott überall haben, an allen Orten und auf allen Straßen, in der Kirche und Einöde, überall. Der Mensch soll Gott erleben in allen Dingen, er soll nicht die Dinge fliehen, sondern durch sie hindurch Gott erleben. "Das Geringste, das man in Gott erkennt etwa, wer eine Blume schaute wie sie ihr Sein hat in Gott das ist edler als alle Welt: denn das Geringste, das in Gott ist, wo es Wesen ist, ist besser, als wenn man einen Engel schaute." Gewiß, auch hier schimmert Eckharts platonische Philosophie, sein Denken an die Urbilder, die "Wesen" aller Dinge in Gott durch es ist aber hier mehr als ein Duft zugegen, im Vordergrund steht eine handfeste Lebenslehre und Lebenshilfe: "Wie der Mensch sein Werk am vernünftigsten wirke", wie er rechten Gebrauch von seiner Vernunft machen soll da der Mensch doch nicht bestehen kann ohne Geschäftigkeit, soll er es lernen, Gott zu besitzen in allem, was er tut. Wer handelt, fällt in Schuld, in Sünde. Eckhart bemüht sich deshalb hier aufzuzeigen, einmal, wie auch die Sünde, und die Neigung zur Sünde dem Menschen frommt zu allen Zeiten, als ein Motor, als ein Salz, und zum andern, was der Mensch tun soll, wenn Gott sich ihm verborgen hat. Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes verbindet ja, in der Hochform der "Dunklen Nacht", den Mystiker mit dem "gemeinen Manne" von der Straße, der sie in der Niederform tagtäglich erlebt: Gott ist einfach nicht da, gerade dann, wenn ihn der bedrängte Mensch am dringendsten braucht und auch mit einem Sturm von Gebeten nicht herbeizitieren kann. Was also tun, wenn Gott nicht da ist? Eckharts Antwort: gerade dann jeden Eigenwillen aufgeben, sich an Gott geben, auch wenn er uns scheinbar verläßt und preisgibt. Und wieder der Trost für den Sünder: wie man sich verhalten soll, wenn man sich in Sünden findet. "Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt er dich und läßt dich zu, nicht als den, der du gewesen, sondern der du jetzund bist." Gott kann auch noch mit dem geringsten, schwächsten Menschen etwas Rechtes, Richtiges anfangen. Man soll "niemands Weise schmähen" hier rührt Eckhart an einen der wundesten Punkte mittelalterlicher und aller kirchlichen Frömmigkeit. Die verschiedenen Frömmigkeitsstile, Gebetsstile, Lebensstile der Orden, religiösen Genossenschaften und theologischen Systeme Kämpfen widereinander, denunzieren einander Eckhart selbst wird ja hineingezogen in den großen Kampf zwischen diesen Gruppen, und er lehrt die Seinen: laß jeden "auf seine Weise", das heißt, in seinem Frömmigkeitsstil, nach Seligkeit streben; Gott wirkt Nachfolge Christi in sehr verschiedenen "Weisen"; "kleine Weisen",kleine Werke üben ist oft schwerer, als große Werke leisten. Gott ist nicht ein Zerstörer, sondern ein Vollender aller Dinge; so sollen auch wir weder das kleinste Gut noch eine unscheinbare "Weise" in uns zerstören für eine große, sondern sollen die geringe vollenden zu ihrer Höhe. Der Mensch soll werden ein Gottsucher in allen Dingen und ein Gottfinder zu aller Zeit und allerorten und bei allen Leuten und auf jede "Weise". So kann man allerorts wachsen und zunehmen an innerer Substanz. Einfach und schlicht schildert hier Eckhart den Seinen die Dialektik des "rechten Lebens", die Erhöhung des Menschen durch freiwillige Erniedrigung, das Reichwerden durch ein Armwerden. Gott wirkt durch Natur und Gnade, beide sind sein; bist du in Frieden, dann bist du in Gott. In Gott ist nichts, das zu fürchten wäre.
Eckhart, der Seelsorger: in allen seinen Werken ist dieses sein seelsorgerisches Element enthalten, und sehr oft ist es, wie man vielleicht sagen darf, schlicht eingefärbt, hauswarm (nicht hausbacken), volksfromm, Trost spendend den "kleinen Leuten", das tägliche Brot für die Seele brechend in Weisungen, Handregeln für das innere Wachstum. Mitten aus dieser seelsorgerischen Arbeit heraus bricht aber nun in Eckhart etwas auf, was weit hinausführt über das Werk der Bescheidung, das sein Maß hat in dem, was der "kleine Mann", der kleine Mensch täglich leisten kann.
Friedrich Heer on European Mysticism - Eckhart, Tauler and Suso