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FRIEDRICH HEER

Meister Eckhart

From Eckhart, Predigten und Schriften, ausgewaehlt und eingeleitet von Fr. Heer, Frankfurt/M-Hamburg 1956


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THE NEW TESTAMENT

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Time and Creation in Gregory of Nyssa and Meister Eckhart
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In Gregory of Nyssa and
Meister Eckhart

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VII. Platoniker und Mönch: die Versuchung der Reinheit

 

Eckhart schafft "ein Christentum neuplatonischer Prägung, im mittelalterlichen Vollsinn des Wortes" (H. Piesch). Ist aber nun Eckharts Mystik "nichts anderes als das katholische Gnadenerlebnis in seiner vollen subjektiven Entfaltung, ideengeschichtlich eingebettet in die Sprechweise des christlichen Neuplatonismus", wie Otto Karrer meint? Das philosophische und theologische Denken Westeuropas wird seit dem 12. Jahrhundert von immer neuen Wellen neuplatonischer Einflüsse überflutet. Nicht nur Eckhart, auch sein großer Lehrer Albert der Große und Thomas sind aufs tiefste beeinflußt durch jene arabischen und jüdischen Neuplatoniker aus der Welt des spätantiken Mittelmeerraumes, die den alten neuplatonischen Strom verstärken, der von Plotin über Proklus, über Dionysius Areopagita, Scotus Eriugena herauffließt zum Neuplatonismus von Chartres im 12. Jahrhundert Eckhart ist dessen direkter Schüler -, zu Wilhelm von Moerbeke, dem Übersetzer, Freund und Gehilfen des Thomas von Aquin. Eckhart selbst beruft sich auf den "großen Pfaffen" Plato, er wertet diesen primär als Theologen; und er weist auf die Eleaten hin, auf Parmenides und Melissus, auf Alanus ab Insulis, und immer wieder auf das plotinische Erbgut, das ihm durch Proklus und den liber de causis zufließt. Mit Plotin, dem Kirchenvater des Neuplatonismus, ist Eckhart nicht nur durch das Lehrgebäude und Geistsystem im ganzen, sondern durch drei spezifische Merkmale verbunden. Plotin verarbeitet und überwindet in seinem intellektuell-mystischen System von der Einen Gottheit, aus der alle Dinge ausfließen und in die sie zurückkehren die Zeugnisse und Erfahrungen der volkhaften enthusiastischen religiösen und spekulativen Bewegungen seiner Zeit, wie sie in zahlreichen Kleinkirchen, Mysterienkulten und orgiastischen Heilsgemeinden üppig ins Kraut geschossen waren. Plotins Streben nach Einheit und Reinheit, nach Reinigung und Einung in der ewig ruhenden, gestaltlosen Gottheit ist auch von hier her zu verstehen: der ewige Hader und die stete Beunruhigung der Geister und Seelen durch die vielfarbigen mystischen und mystizistischen Volksbewegungen und Schwärmergruppen sollte überwunden und überhöht werden in Plotins Schau der Einen, reinen Gottheit. Eckhart kommt nun und darauf hat bereits Giuseppe Faggin verwiesen, zeitgeschichtlich dieselbe Rolle und Bedeutung zu wie Plotin im gärenden Schoß der Spätantike: auch Eckhart will den in zahlreichen Gruppen und Bewegungen seiner Zeit aufbrechenden Enthusiasmus, die zahlreichen, undisziplinierten, unartikulierten und zumindest  im Geist ausschweifenden mystischen, mystizistischen und schwärmerischen Köpfe und Herzen des religiös erwachenden Volkes sammeln, läutern, retten. Und sie aus der "schlechten Vielfalt", aus der Zuchtlosigkeit allzu individueller ichhafter Interessen heimführen in den ewigen Frieden des "Einen". Das Eine, so emphatisch betont bei Plotin und Eckhart, hat also auch diese zeitgeschichtliche Bezogenheit; wobei schon der Engländer Inge bemerkt hat, daß Plotin das Wort "das Eine" vielleicht nur deshalb benützt, weil die Griechen kein Wort für die Null haben, für das, was Eriugena "nihil" und Eckhart "Nichts" nennt. Dieses "Nichts", das Nichts" der Gottheit, in das die gereinigte, von allen Dingen ausgehende Seele einkehren soll, umschließt bei Plotin und Eckhart ein großes Nein: ein Nein zur Welt, ein Nein zu den Dingen, ein Nein zu anderen Heilsmittlern und Heilsmitteln, die den Zeitgenossen als Erlöser und Erlösungshilfen präsentiert werden. Das eigentümliche Akosmische im Geistsystem Plotins und Eckharts, dieses Nein zur Geschichte, zur Natur, zur Materie (vorbildlich für den deutschen Idealismus) wurzelt in beider Feindschaft gegenüber der Frau. Plotins Schüler und Biograph übermittelt uns sein bekanntes Wort, daß er nicht wissen wollte, wo er geboren sei, und daß er von einem Weibe geboren worden sei. Der männische Mann will sich, in seinem Geistsystem, selbst zeugen. Eckharts "Ich bin, der ich bin" erhält von hier eine eigentümliche Beleuchtung. Der Mönch Eckhart unterstützt den Neuplatoniker Eckhart in seiner Verurteilung der Frau, des "Weibes": alles, was schlecht, hinfällig, böse, wandelhaft ist in der Natur, in der Seele, kommt vom Weibe her, ist weibisch-weiblich. Eckhart lehrt also: Das "Vollkommene" ist das Männliche und zeugt an sich nur Männliches. Weibliches entsteht nur "ex defectu, qui accidit huic semini", aus einem Fehlgelingen der männlichen Selbstzeugung. Die sich selbst auszeugende plotinische und eckhartische Gottheit ist also ein Abbild dieses Willens des Mannes, der sich selbst zeugen und selbst befrieden will. Die Entstehung des Weibes ist etwas Unnatürliches und Übles. Eckhart kann sich hier auch noch auf Aristoteles und das ganze männisch-herrische Denken der Antike berufen, das die "weibische" Materie, "weibische" Welt, "weibische" Natur zu überherrschen strebt durch den männlichen "reinen Geist".

 

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