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FRIEDRICH HEER
From Eckhart, Predigten und Schriften, ausgewaehlt und eingeleitet von Fr. Heer, Frankfurt/M-Hamburg 1956
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Ich glaube nicht, daß, wie etwa Ernst Benz meint, zwischen Heidegger und Eckhart nur eine "akustische Verwandtschaft" besteht; da hatte bereits Käte Oltmanns trotz mancher Übersteilung die sehr konkrete Geistes - und Seelenverwandtschaft zwischen Heidegger und Eckhart herausgearbeitet. Während Heidegger ein Denker ist, dessen charakteristisches Merkmal darin besteht, die wirklichen personalen Motive und die Erreger seines Denkens zu verschweigen und sie, wie Ernst Jünger, nur verschlüsselt zu nennen, bekennen sich Jaspers und Jung in aller intellektuellen Redlichkeit zu dem großen revolutionären Dominikaner. So Jaspers in seiner "Philosophische Logik" I, "Von der Wahrheit" (904), wobei er selbst die Verbindung zu Plotin, Eckhart und Nikolaus von Cues anspricht. C. G. Jung kommt immer wieder auf Eckhart zu sprechen, so zuletzt in seinem "Mysterium Coniunctionis" (1. Teil, Zürich 1955, z.B.S. 50 f., 94 f., 201 ff.), er weiß sich mit den Alchemisten und mit Eckhart verbunden im Streben nach einer "maximalen Integration", "welche einer fernen Zukunft vorbehalten zu sein scheint". Diese maximale Integration wird, so ist Jung überzeugt,alle Gegensätze und Widersprüche überwinden, wird Gott und Götter, Mensch und Tier, Erde und Himmel integrieren und aufheben in einer Erweiterung und in der letzten Überwindung der christlichen Trinität. Eckharts Denken über die felix culpa, über den guten Sinn der Sünde, des Bösen, und auch noch der Hölle (der gottmächtige, wahrhaft demütige Mensch zwingt Gott selbst in die Hölle hinab, macht aus ihr ein Himmelreich, vgl. den Predigttext bei Schulze-Maizier 360) kehrt, in tiefenpsychologischer Sprache und in pankosmischer Gnosis, wieder bei Jung: "Der Geist des Chaos ist unerläßlich zum Werke und kann vom Heiligen Geiste" ("ars donum Spiritus Sancti") "überhaupt nicht unterschieden werden, wie auch der alttestamentliche Satan einen Aspekt Jahwes darstellt." Die Antwort der Kirche und der Kirchen auf diesen Höhen - und Tiefenschwung des Jungschen Denkens wie der Moderne könnte sich derselben Worte bedienen wie Johanns XXII. Bulle gegen Eckhart vom 27. Marz 1329, in der die "Überkühnheit" des großen Denkers, seine "Verwegenheit" beklagt wird. Und es verdient doch Beachtung, daß dieselbe Kritik, im milden Gewand des Freundeswortes, Meister Eckhart entgegenklang in der bekannten Erzählung aus dem Kreis der Gottesfreunde: "wie Meister Eckhart daran erinnert wurde, daß auch er einst auf der Schulbank saß". Da kommt also ein "guter Pfaffe" zu Meister Eckhart und weist ihn schlicht und herzlich auf die Gefahr hin, die für ihn wie für das Volk dadurch gegeben ist, daß Meister Eckhart voll Inbrunst und ohne Überlegung die höchste und gewagteste Geistspekulation direkt von der Hohen Schule, wo sie am Platz ist, hinübertragt zur Kanzel und dadurch viele einfache Menschen verwirre, Menschen, die erst das ABC, die Anfänge eines neuen, inneren und innerlichen Lebens lernen müßten, und die nun, durch Eckhart, allen Gefahren einer Reise in die vulkanischen Tiefen der Gottheit ausgesetzt würden.
Friedrich Heer on European Mysticism - Eckhart, Tauler and Suso