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FRIEDRICH HEER

Meister Eckhart

From Eckhart, Predigten und Schriften, ausgewaehlt und eingeleitet von Fr. Heer, Frankfurt/M-Hamburg 1956


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Time and Creation in Gregory of Nyssa and Meister Eckhart
Time and Creation
In Gregory of Nyssa and
Meister Eckhart

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V. Die Predigt-Spekulation: der Eine und das Eine

 

Das ist die Situation, in der Eckhart denkt, spricht, predigt: die Vielen, die auf sein Wort, seine Weisung warten, und der Eine, der ihnen den Weg weist zur Vereinigung mit dem Einen, der "weiselosen Gottheit", die über allen Mittlern, ja über "Gott" selbst ist. Der Eine, der die frohe Botschaft von dem Einen verkündet, ist der Meister selbst: Eckhart. Eckhart ist von einem ungeheuren Selbstbewußtsein erfüllt, ja durchdrungen. Selbst eine Eckhart katholisierende und im letzten verharmlosende Forscherin wie Herma Piesch bemerkt angesichts seiner "stolzen Kühnheit": bei ihm klingt alles herber, schroffer, gewaltsamer, eigenwilliger als bei einem Italiener oder Spanier. "Tatsächlich wird man schwerlich eine Frömmigkeit erdenken können, die 'deutscheren' Charakter hätte als die eines Meister Eckhart. Es ist schon etwas daran, daß man bei ihm so oft an Kant, Nietzsche, Fichte, bzw. an  gewisse 'autonome', ja 'autotheistische' Tendenzen des deutschen Idealismus erinnert wird, wenn auch tiefer gesehen nicht im Sachlichen, sondern sozusagen im Vitalen." Nachdrücklich betont er seinem Publikum gegenüber, daß er ein Thema behandelt "wider alle meister, die nu lebent". Sein bekanntes Wort "Ein Lebemeister ist mehr denn tausend Lesemeister" bezieht sich auf seine eigene, von ihm als einzigartig erkannte Persönlichkeit. "Rechte Priester sind nicht viel zwischen Basel und Mainz und Köln, wenn ich wollte, ich könnte sie tragen auf meiner Hand." Gewiß, Eckhart fügt hier hinzu, daß er zweifle, ob er selbst einer der "ganz rechten", ganz "gerechten" Priester sei; im tiefsten Grunde seiner Seele aber weiß er sich als eine gottesmächtige, gottschöpferische Persönlichkeit, die aus ihrem überquellenden Sein "Gott", die Welt, alle Dinge entläßt, schafft, auszeugt. Man kann Eckharts Lehre von der möglichen Gottgeburt in jeder Seele nur verstehen, wenn man diese seine eigenste Urerfahrung zur Kenntnis nimmt. Eckhart schildert sie großartig in seinem Kommentar zum Buche Exodus (lat. Werke, II, 21 ff.). Er gibt hier ein Selbstporträt des schöpferischen Menschen in seiner Auslegung des Gottesnamens "Ich bin, der ich bin". Der große Eine, die Gottheit, das große Ich gebiert sich aus sich selbst heraus, kocht in sich auf und wallt über, lichtstrahlend. Gott ist "eine Rückwendung des Seins zu sich und auf sich selbst", ist Licht, das ganz auf und in sich selbst zurückfließt. Gewiß, Eckhart stützt sich hier auf den spätantiken und mittelalterlichen Neuplatonismus, auf Proklus, den Pseudo-Hermes Trismegistos mit seinem "Buch der 24 Weisen", auf den Chartreser Neuplatonismus des 12. Jahrhunderts er spricht aber mit den Worten der anderen sich selbst aus. Seinen eigenen schöpferischen Prozeß, das, was in ihm vorgeht, wenn er vor den Seinen steht, schildert er, wenn er Joh. 1,4 "in ihm war das Leben" dahin  auslegt: "Leben bedeutet eine Art Überquellen, wodurch etwas in sich selber anschwillt und sich zuerst ganz und gar in sich selbst ergießt, jedes Teilchen mit sich selbst durchdringend, bevor es sich ausgießt und überwallt." Man hat oft bemerkt, daß der konkrete, geschichtliche Christus bei Eckhart kaum eine Rolle spielt; Christus wird ganz aufgelöst in die Geist-Spekulation. Eckharts Kommentar zum Johannesevangelium befaßt sich in mehr als einem Drittel des Textes mit dem ersten Kapitel, und davon wieder in mehr als zwei Dritteln mit dem Prolog! Das 6. Kapitel übergeht Eckhart ganz, andere Kapitel wie etwa das 18. und 19. (die Leidensgeschichte des Herrn), "werden kurz abgemacht" (Joseph Koch). "Eckhart verweilt hier am längsten bei dem Wort: Quid est veritas? (18,38), während er Einzelheiten des Leidens Jesu überhaupt nicht behandelt." Das ist nicht nur Anklang an den griechischen Geist, der das Denken an das Leiden des Herrn verdrängt und im byzantinischen Ravenna die Darstellung der Passion Christi beseitigt, sondern steht auch in engstem Zusammenhang mit Eckharts triumphalem persönlichen Erlebnis der Gottgeburt in der eigenen Brust, wobei kaum auszumachen ist, inwieweit da sein "natürliches" Schöpfererlebnis verschmilzt mit einer autochthon christlichen Erfahrung der Gottgeburt in der eigenen Seele. In einer hochwichtigen Stelle (lat. Werke III,241), zu der Nikolaus von Cues mit Recht in seinem Eckhartkodex am Rande vermerkt "Achtung!" (nota!), gesteht Eckhart: "ich beneide Christus nicht, weil er Gott geworden ist; denn auch ich kann, wenn ich will, nach seinem Vorbild dasselbe werden". Hier fällt das Wort, das als ein Stichwort die Tragödie vieler Gottsucher und schöpferischer Menschen, die nicht selten und nicht zufällig in ihrem Denken an Eckhart anklingen, erhellt: des Neid auf Christus. Nietzsche und auch Rilke sind rasend eifersüchtig auf Christus. Rilke spricht in der Jugend und im Mannesalter diesen Neid besonders offen aus, wenn er Christus angreift als einen voreiligen und vorgreifenden Verkünder Gottes (vgl. dazu J. F. Angelloz 120), während, so meint er, es ihm, Rilke, zuallererst gelungen sei, die Menschlichkeit Gottes und die Göttlichkeit des Menschen zusammenzudenken. Eckhart versucht den "Neid auf Christus", in dem er die Problematik des schöpferischen Menschen erkennt, in seiner eigenen Brust zu überwinden, und sich zur Nachfolge Christi durchzukämpfen. In unverhüllter Absage gegen das kraftund heillos gewordene "Heilige Reich" predigt er: Jedes Reich hat sein Wappen. Das Wappen des romischen Reiches ist ein Adler in Gold, das der Franken hat Lilien auf himmelblauem Grunde. Das Wappen des Himmelreiches und der Christen ist das Kreuz, nicht auf farbigem Grunde, sondern im Lichte selbst."

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